RASopathien (Synonym : Neuro-Kardio-Fazio-Kutane Syndrome (NCFC-Syndrome)
Erkrankung | Gen | OMIM |
Noonan Syndrom 1 | PTPN11 | 163950 |
Noonan Syndrom 3 | KRAS | 609942 |
Noonan Syndrom 4 | SOS1 | 610733 |
Noonan Syndrom 5 | RAF1 | 611553 |
Noonan Syndrom 6 | NRAS | 613224 |
Noonan Syndrom 7 | BRAF | 613706 |
Noonan Syndrom | SHOC2 | 607721 |
LEOPARD Syndrom 1 | PTPN11 | 151100 |
LEOPARD Syndrom 2 | RAF1 | 611554 |
LEOPARD Syndrom 3 | BRAF | 613707 |
Costello Syndrom | HRAS | 218040 |
Kardiofaziokutanes Syndrom | BRAF | 115150 |
Kardiofaziokutanes Syndrom | MAP2K1 | 115150 |
Kardiofaziokutanes Syndrom | MAP2K2 | 115150 |
Kardiofaziokutanes Syndrom | KRAS | 115150 |
Klinik / Indikation
Syndrome die durch Veränderungen in Genen, des RAS-MAP-Kinase-Signaltransduktionsweges entstehen, werden als neuro-kardio-fazio-kutane Syndrome (NCFC-Syndrome) oder als RASopathien zusammengefasst. Jedes dieser Syndrome ist durch charakteristische klinische Merkmale gekennzeichnet. Überlappend finden sich jedoch bei allen phänotypische Merkmale, wie bestimmte Herzfehler, kutane Veränderungen, Entwicklungsstörungen (leichte bis schwere mentale Retardierung) und teilweise eine Prädisposition für Tumoren.
Das Noonan-Syndrom ist mit einer Inzidenz von 1:1000-2500 eine relativ häufige genetisch heterogene Erkrankung. Der Erbgang ist autosomal-dominant. Hauptmerkmal sind charakteristische faziale Dysmorphien (Hypertelorismus, Ptosis, lateral abfallende Lidachsen und tief angesetzte Ohren), proportionierter Kleinwuchs und angeborene Herzfehler. Pulmonalklappenstenosen und hypertrophe Kardiomyoptahien stehen dabei im Vordergrund. Weitere mögliche Symptome sind Skelettveränderungen (Trichterbrust), „Cafe-au-Lait“-Flecken, milde Entwicklungsverzögerung, Blutungsneigung und Kryptorchismus bei männlichen Patienten Bei einer sehr seltenen Form. dem Noonan-ähnliches Syndrom mit losem Anagenhaar findet man kurzes Haar, welches sich sehr leicht schmerzlos herausziehen lässt und es so zum Bild einer diffusen Alopezie kommen kann.
Das LEOPARD-Syndrom ist ein Akronym und steht für (engl.): Lentigines, ECG abnormalities, ocular hypertelorism, pulmonic stenosis, abnormal genitalia, retardation of growth, deafness). Der Erbgang ist autosomal-dominant. Überlappend finden sich besonders im Kindesalter phänotypische Merkmale des Noonan-Syndroms. Charakteristisch und wegweisend sind die kutanen multiplen Lentigines die erst im Alter von 4-5 Jahren erscheinen und bis zur Pubertät zunehmen sowie eine postlinguale Innenohrschwerhörigkeit.
Das Kardiofaziokutane Syndrom (CFC) ist ein seltene, sporadisch auftretende Erkrankung. Eine differentialdiagnostische Abgrenzung zu den anderen Syndromenaus dem NCFC-Spektrum im Säuglings- und Kleinkindalter ist aufgrund der phänotypischen Ähnlichkeit sehr schwierig. Es besteht meist eine ausgeprägte psychomotorische und mentale Retardierung. Typisch für das CFC-Syndrom sind die ausgedünnten, lockigen Haare und die häufig fehlenden Augenbrauen, sowie im Erwachsenenalter trockene hyperkeratotische Haut mit gelegentlicher palmoplantarer Hyperkeratose. Ein erhöhte Prädisposition für maligne Erkrankungen wurden bisher nicht beobachtet.
Das Costello-Syndrom ist eine sehr seltene (Inzidenz <1:100 000, Orphanet) sporadisch auftretende Erkrankung, die autosomal-dominant vererbt wird. Hauptmerkmale sind vergröberte Gesichtszüge, ein Makrozephalus, postnataler Kleinwuchs, milde bis moderate mentale Retardierung, Herzfehler aus dem NCFC-Spektrum und kutane Veränderungen (Acanthosis nigricans, dunkle Haut und Papillome). Besonders auffällig ist die weiche überschüssige wirkende Haut, besonders an den Handinnenflächen, Fingern und Fußsohlen mit tiefen Palmar- und Plantarfurchen. Nach erhöhtem Geburtsgewicht zeigt sich postnatal eine schwere Ernährungsstörung. Charakteristisch sind die häufig auftretenden kardialen Arrhythmien, die für die anderen Erkrankungen aus dem NCFC-Spektrum nicht typisch sind. Kinder und junge Erwachsene (15 %) haben eine Prädisposition für die Entwicklung von malignen Tumoren (Rhabdomyosarkom, Neuroblastom, Blasenkrebs).
Genetik
Abb. 1: RAS-MAP-Kinase-Signaltransduktionsweg
Das PTPN11-Gen (OMIM 176876) codiert für eine zytosolische Phosphotyrosin-Phosphatase (SHP-2), die die drei charakteristischen Domänen N-SH2 (amino-terminal src-homology 2), C-SH2 (carboxy-terminal src-homology 2) und PTP (phosphotyrosin phosphatase) aufweist. SHP-2 fördert die Interaktion von Proteinen. Es ist an der Entwicklung beteiligt, reguliert aber auch die Zellmigration, Proliferation, Überleben und Differenzierung. Während im normalen Zustand eine Inaktivierung des SHP-2 Proteins vorliegt, wird als Pathomechanismus eine exzessive SHP-2 Aktivitätssteigerung infolge einer Stabilisierungen der aktiven H-SH2/PTP-Konformation diskutiert (gain of function).
Hauptsächlich kommen Missense-Mutationen vor; die häufigsten sind p.Tyr279Cys und p.Thr468Met.
Das SOS1-Gen kodiert für einen RAS-spezifischen Guanin-Nukleotid-Exchange-Faktor (RAS-GEF), der die Umwandlung von RAS-GDP zu RAS-GTP katalysiert. Alle bisher beschriebenen Veränderungen sind gain-of-function Mutationen, die zu einer gesteigerten RAS Aktivierung führen und Apoptose, Wachstum und Differenzierung beeinflussen. Die meisten Veränderungen sind Missense-Mutationen. Am häufigsten lässt sich ein Aminosäureaustausch an der Position p.Arg552 nachweisen und die Mutation p.Glu846Lys. Weitere Mutationscluster befinden sich in der PH-Domäne (Pleckstrin-homologen Domäne, Aminosäureposition 432-434), in der interagierenden Region in der PH- (p.Thr266, p.Met269) und Rem(Ras exchanger motif)-Domäne (p.Trp729, p.Ile733). Patienten mit Veränderungen im SOS1-Gen weisen eher ein normales Wachstum und mentale Entwicklung auf. Herzfehler sind weniger stark ausgeprägt. Es treten häufig ektodermale Veränderungen (Keratose, schüttere Augenbrauen) auf.
Zur RAS-Familie gehören die Gene KRAS (OMIM 190070), HRAS (OMIM 190020) und NRAS (OMIM 164790), die strukturell und funktionell sehr ähnlich sind. Sie besitzen allesamt eine GTPase-Aktivität. Die RAS-Proteine besitzen eine konservierte Domäne (G-Domäne), die für die Funktion bei der Signaltransduktion essentiell ist und eine weniger konservierte C-terminale Region (hypervariable Region), die posttranslationale Prozesse und die Verankerung in der Plasmamembran beeinflusst. Letztere enthält eine GTP/GDP bindende Region. Veränderungen in dem Gen führen zu einer verstärkten Proteinfunktion. Aufgrund alternativen Spleißens entstehen bei dem KRAS-Gen zwei Transkripte, woraus zwei verschiedene Proteine entstehen: KRASA und KRASB. Die Unterschiede der beiden Transkripte führen zu alternativen „Trafficking“-Prozessen zur Plasmamembran und zu verschiedenen Membranlokalisationen. Die meisten Mutationen befinden sich im zweiten und dritten Exon, die bei beiden Isoformen vorhanden sind. Mutationen die im Exon 5b vorkommen, sind für 1/3 aller beschriebenen Keimzellmutationen verantwortlich. KRAS-Mutationen gehen mit schwerwiegenderen Phänotypen einher. Bei dem HRAS-Gen befinden sich die häufigsten Mutationen an den Stellen p.Gly12 und p.Gly13, welche auch Hotspots für onkogene Veränderungen sind. Im NRAS-Gen sind bisher nur Missense-Mutationen bekannt.
Die Gene RAF1 (OMIM 164760) und BRAF (OMIM 164757) codieren für Serin-Threonin-Kinasen, die als RAS-Effektor fungieren. Die Kinasen phosphorylieren und aktivieren MAP2K1 und MAP2K2, die wiederum die nachfolgende Signaltransduktion vermitteln. Das RAF1-Gen codiert für ein Protein mit drei funktionellen Domänen (konservierte Region 1 bis 3; CR1-3). Die N-terminale CR1 beeinflusst die GTP-RAS-Bindung und vermittelt die RAF1-Interaktion mit der zytosolischen Seite der Zellmembran. CR2 kontrolliert die Proteintranslokation und besitzt eine katalytische Aktivität. Die C-terminale CR3 ist für die Kinaseaktivität verantwortlich. Im RAF1-Gen kommen hauptsächlich Missense-Mutationen vor, die zum größten Teil die Kinaseaktivität verstärken. Mutationen im RAF1-Gen gehen verstärkt mit einer hypertrophen Kardiomyopathie einher. BRAF hat eine höhere Kinaseaktivität als RAF1. Es sind größtenteils Missense-Mutationen bekannt (v.a. Keimzellmutationen), die sich hauptsächlich in der Cystein-reichen Domäne, dem terminalen Teil und dem aktivierenden Segment der Kinasedomäne befinden. Überwiegend sind die Aminosäurepositionen p.Gln257 und p.Glu501 betroffen. Die Mutationen im BRAF-Gen führen zu einer Dysregulation der Kinaseaktivität und gehen u.a. mit neonataler Wachstumsverzögerung, leichten kognitiven Defiziten und einer Muskelhypotonie einher.
Das SHOC2-Gen (OMIM 602775) codiert für ein Protein mit Leucin-reichen Repeats. Es fungiert als positiver Modulator der Signaltransduktion über die „RAS-Familie“. Bisher ist nur eine Mutation bekannt (c.4A>G, p.Ser2Gly). Bei Patienten mit der Mutation im SHOC2-Gen sind die dünnen, feinen und gekräuselten Haare sehr charakteristisch.
Die Gene MAP2K1 (MEK1) (OMIM 176872) und MAP2K2 (MEK2) (OMIM 601263) codieren für Kinasen mit negativer regulatorischer Domäne am N-Terminus und einer Proteinkinasedomäne. Es sind Effektoren der RAF-Proteine. Es kommen hauptsächlich Missense-Mutationen vor, die sich in der regulatorischen Region und in der N-terminalen Region der katalytischen Domäne befinden. Wenige „in frame“-Deletionen wurden ebenfalls nachgewiesen.
Tabelle 2: Überblick der möglichen veränderten Gene des Noonan Syndroms, LEOPARD Syndroms, Costello Syndroms und des Kardiofaziokutanen Syndroms
Erkrankung | Gen | Chromosomale Lakolisation | Prävalenz der Mutationen | Vererbung |
Noonan Syndrom | PTPN11
SOS1 RAF1 KRAS NRAS BRAF SHOC2 |
12q24.1
2p22-p21 3p25 12p12.1 1p13.2 7q34 10q25 |
50 %
15 % 3-17 % 2 % <1 % <1% |
autosomal dominant |
LEOPARD Syndrom | PTPN11
RAF1 BRAF |
12q24.1
3p25 7q34 |
90 %
|
autosomal dominant |
Costello Syndrom | HRAS | 11p15.5 | 95% | autosomal dominant |
Kardiofaziokutanes Syndrom | BRAF
MAP2K1, MAP2K2 KRAS |
7q34
15q21, 19p13.3 12p12.1 |
50-75 %
25 % 5% |
autosomal dominant |
Literatur:
Allanson et al. 2010, Am J Med Genet A. 52A:1960-1966
Axelrad et al. 2011, Am J Med Genet C Semin Med Genet. 157:115-122
Lee et al. 2011, J Pediatr.159:1029-1035
Rauen et al. 2011, Am J Med Genet C Semin Med Genet. 157:136-146
Tartaglia et al. 2010, Mol Syndromol. 1:2-26
Viskochil 2011, Am J Mem Genet Part C Semin Med Genet. 157:79-82
Diagnostik
Der Bearbeitungszeitraum beim Indexpatienten liegt bei der Untersuchung des Noonan Syndroms bei etwa 8 Wochen, für das LEOPARD und das Kardiofaziokutane Syndrom jeweils bei etwa 6 Wochen und für das Costello Syndrom bei etwa 2 Wochen.
Für den Nachweis bereits bekannter Veränderungen ist etwa 1 Woche anzusetzen.
Untersuchungsmaterial
2 ml EDTA-Blut des Indexpatienten sowie weiterer Familienmitglieder. Versand der Proben ungekühlt im Transportröhrchen.